Neues aus den Scherben der Träume


JESSICAS KOLUMNE


Wenn ich die Augen schliesse, werde ich mühelos wieder zu dem neunjährigen Mädchen, das die kühlen Kartoffeln in seinen Händen fühlt, den Duft der frisch geackerten Erde riecht, das Knattern des Traktors hört und in all dem die Energie des Frühlings, des wiederkehrenden Lebens spürt.

Geht es uns nicht auch so in unserem Leben? Damit etwas neues enstehen kann, muss zuerst etwas anderes sterben. Wachstum geschieht nicht einfach so, sonder fordert oftmals Opfer.

Als Kind verbrachte ich einen Grossteil meiner Ferien auf dem Bauernhof bei meinen «Herzensgrosseltern» im Freiburgerland. Zwei Höhepunkte an meinem Landleben drehten sich dabei um die Kartoffel: «Häppere setze» in meinen Osterferien, «Häppere grabe» dann in den Herbstferien. Von dieser schrumpligen, unscheinbaren und doch so vielseitigen Knolle habe ich eine wichtige Lektion für mein Leben gelernt! Um Kartoffeln zu ernten, muss zuerst eine solche in die Erde gepflanzt werden. Aus dieser Mutterknolle wachsen Ausläufer, aus denen die neuen Kartoffeln entstehen. Bei diesem Prozess stirbt die Mutterknolle. So konnte ich im Herbst neben den frischen Kartoffeln jeweils die verfaulten Überreste jener «Häppere» finden, die ich einige Monate zuvor gesetzt hatte.

Geht es uns nicht auch so in unserem Leben? Damit etwas Neues entstehen kann, muss zuerst etwas anderes sterben. Wachstum geschieht nicht einfach so, sondern fordert oftmals Opfer. Nicht immer erleben wir dies so intensiv, doch es gibt Situationen im Leben, in denen wir dieses Loslassen, wie das Setzen einer Mutterknolle, ganz bewusst tun müssen. Uns von einem Lebens­traum verabschieden. Eine Vorstellung begraben. Eingestehen, dass sich eine Hoffnung niemals verwirklichen wird.

Das grosse Wunder dabei ist, dass aus der Nichterfüllung eines Traums Neues wachsen kann. Als wir vor zwei Jahren als Familie aus Costa Rica zurück in die Schweiz kamen, war ich überzeugt, dass wir nach wenigen Monaten wieder zurück nach Zentralamerika reisen würden. Um es kurz zu machen: Wir sind noch immer in der Schweiz! Was sich so einfach schreibt, bedeutet in Wirklichkeit ein grosses Gefühlschaos, Hoffnungen gefolgt von Enttäuschungen, ein Fragen und Hadern.

Mein Leben ist anders, als ich mir dies noch vor zwei Jahren ausgemalt hatte. Und dennoch darf ich sehen, wie Gott aus den Scherben meiner zerbrochenen Träume etwas Neues hat entstehen lassen. Je länger je mehr darf ich Segensfrüchte entdecken, die nur deshalb wachsen können, weil ich gewisse Vorstellungen losgelassen habe. Und sollte es für uns je wieder zu einer Ausreise kommen, so werde ich mit grosser Dankbarkeit darauf zurückblicken, was Gott in dieser ungeplanten Zeit in der Schweiz wachsen liess.



Jessica Freiburghaus

Wachstum braucht Geduld, auch in der Natur: Hier die unreifen Kaffeefrüchte …

… die man später ernten kann.

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Wachstum besteht aus vielen kleinen Schritten

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Armut = Glück. Stimmt das?