Wie erlebst du Frieden?
Was // STAY
Wo // Kolumbien
Wer // Familie Zapata-Hirsig
Wann // 2024
Hat man einen anderen Bezug zum Thema Frieden, wenn man in einem Land lebt, in dem Unruhen und Drogenkrieg zum Alltag gehört? Wir haben bei Nadia Zapata-Hirsig, die mit ihrer Familie in Kolumbien lebt, nachgefragt:
Nadia – wie erlebst du Frieden?
Vor ein paar Jahren hätte ich auf diese Frage geantwortet «alleine an einem Bergsee sitzen und die Stille geniessen». Und zwischen den Zeilen hätte man gelesen «weil ich da weitab vom Lärm und von Konflikten bin.» In der Zwischenzeit habe ich aber gelernt, dass das eher eine Flucht vor der Realität wäre, ein sich Absondern, ein Wohlfühl-Moment, vielleicht sogar ein “Den Kopf in den Sand stecken”. Der richtige Friede nimmt auch das externe Umfeld aufs Korn und fordert, dass ebenfalls die unangenehmen Situationen angegangen und die Konflikte, von denen wir uns lieber absondern möchten, aufgearbeitet werden. Friede am Bergsee und Friede im Sturm. Der erste Schritt zu diesem echten Frieden ist die Aussöhnung mit Gott. Von dort an können wir mit Ihm zusammen unsere verschiedenen Konfliktzonen in Angriff nehmen.
Würdest du sagen, dass Frieden stiften ein Teil eurer Arbeit in Kolumbien ist? Wie sieht das konkret aus?
Die Leute hier sehnen sich nach Frieden. Nach 60 Jahren Bürgerkrieg, Unruhen, Massakern und Millionen internen Vertriebenen steht dieses Verlangen an oberster Stelle. Was aber viele nicht wahrhaben wollen, ist, dass jeder Einzelne zum Frieden beitragen muss. Und das beinhaltet an erster Stelle ein klares Nein zur Kriminalität, Nein zur Korruption und das Einhalten der Regeln, damit das Land vorwärts kommt. Dann geht es aber auch um Werte wie Vergebung, Solidarität, Respekt, Verlässlichkeit und vieles mehr, um ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Für all das ist die Bibel natürlich das perfekte Lehrbuch. Wir sind überzeugt, dass alles, was wir aus ihr weitergeben können, zum Frieden beiträgt, egal ob in unserer Zuhörerschaft Sonntagsschulkinder oder versteckte Sympathisanten der bewaffneten Rebellen sitzen.
Man kennt Kolumbien als Land, das sehr unter «Un-Frieden» und Gewalt leidet. Wie wirkt sich das auf euch und eure Freunde aus?
Es ist ein seltsames Gefühl, hier zu leben. Auf der einen Seite wohnen wir in einem friedlichen, fröhlichen und lebenslustigen Dorf, weitab von der aktiven Kriegszone, wodurch es uns leicht fällt, die schwierigen Aspekte des Landes im täglichen Leben auszublenden. Auf der anderen Seite werden wir immer wieder plötzlich und brutal an die Realität erinnert. Dies kann durch die Nachrichten geschehen, die die aktuellen Geschehnisse aufnehmen und über Unvorstellbares berichten. Oder dann sind überraschend Bekannte betroffen und die Gebetsgruppenchats laufen heiss. Daran gewöhnen werden wir uns wohl nie.
Wie seht ihr und die Menschen, die ihr kennt, den Weg zum Frieden?
Obwohl im 2016 ein vielversprechender Friedensprozess zwischen Regierung und Rebellen angefangen wurde, hält sich heute die Hoffnung auf einen totalen Erfolg sehr in Grenzen. Zu gross ist die Korruption, die Ungleichheit und die Armut und zu einflussreich die neue Drogenmafia, die sich mit den Rebellen vermischt. Die christlichen Gemeinden schliessen die Augen nicht vor diesen Realitäten und sind teilweise auch auf politischer Ebene aktiv. Aber im Generellen gilt unser Ansatz dem Individuum. Frieden in Kolumbien kommt nur durch veränderte Menschen, die Frieden mit Gott gefunden haben und mit Überzeugung denselben Frieden auf allen Ebenen des Lebens verbreiten wollen.
Nadia Zapat Hirsig lebt seit Dezember 2022 in Chía, Kolumbien. Sie arbeitet zusammen mit ihrem Mann William in den Gebieten Gemeindebau, biblisch-theologischer Unterricht und Sozialhilfe. Davor war das Ehepaar während 23 Jahren in Costa Rica in ähnlichen Gebieten tätig. Nadia und William haben zwei Kinder.