Hoffnung


JESSICAS KOLUMNE


Möglichst unauffällig begutachte ich den düsteren Raum. Neben der Kochnische ein wackeliger Tisch, zwei Stühle. Dann ein Bett. Wie viele Personen sich dieses wohl teilen müssen? Ein Vorhang verdeckt den Blick auf die Toilette. Eine nackte Glühbirne erhellt den Raum, ein Fenster suche ich vergeblich. Privatsphäre scheint ein Fremdwort zu sein: die Nachbarn lachen, lieben und streiten direkt auf der anderen Seite der Wellblechwand.

Doch nebst der offensichtlichen materiellen Not ist da noch etwas anderes zu spüren: Hoffnung.

Der Anblick, der sich mir bietet, ist ein krasser Gegensatz zum Erscheinungsbild der Brüder, die meinen Englischunterricht besuchen. Immer tadellos gekleidet, saubere Schuhe, perfekt frisiert und in eine Duftwolke von Aftershave gehüllt, die meine Sinne zu benebeln droht ... Und hier also haust ihre sieben­köpfige Familie!

Doch nebst der offensichtlichen materiellen Not ist da noch etwas anderes zu spüren: Hoffnung. Hoffnung, dass der Tag nicht mit knurrendem Magen beendet wird. Hoff­nung, dass die Jungs ihr Studium abschliessen, die Mädels weise Entscheidungen treffen, das Baby die nötigen Medikamente erhält, der Vater den Weg zurück auf den Arbeitsmarkt schafft.

Solche Situationen habe ich während unserem Einsatz in Costa Rica öfters erlebt. Und jedes Mal berührte sie mich, diese Hoffnung, die ich inmitten der Not spüren konnte. Eine Hoffnung, die weder durch ein Stück Brot noch durch eine Münze zum Leben erweckt wird. Zu schnell ist die Mahlzeit verspeist, das Geld ver­spielt. Nein, es ist die Hoffnung auf einen Gott, der auch heute noch Wunder tut. Ein Gott, der sich um seine Menschen kümmert. Der zwar nicht jeden Wunsch erfüllt, aber dennoch (oder gerade deshalb?) gut ist. Der aus krummen Linien Kunstwerke entstehen lässt. Aus einem Scherbenhaufen kostbare Gefässe kreiert.

Dieser Gott ist es, der uns dazu bewegt hatte, in diesem von Armut und Kriminalität gezeichneten Quartier Hoffnung zu versprühen. Dies auf eigene Faust zu tun, wäre höchstens waghalsig, nicht aber nachhaltig gewesen. Doch wir arbeiteten mit dem lokalen Pastor und seinem Team zusammen. Die Vision dieser Kirchgemeinde begeistert uns. Die Hilfesuchenden werden weder mit leeren Bibelworten abgespeist, noch mit materiellen Gütern ruhiggestellt. Denn ganzheitliche Unterstützung bedeutet mehr: Diesen Menschen wird eine Zukunftsperspektive geboten. Durch Bibelverse. Durch Lebensmittelpakete. Durch Bildung. Durch aufrichtiges Interesse und echtes Miteinander. Wir durften Teil davon sein. Jetzt sind wir zurück in der Schweiz. Doch unsere Arbeit im Quartier geht weiter. Dank der interkultu­rellen Partnerschaft.

Jessica Freiburghaus

Dicht gedrängte Wellblechhütten in Costa Rica, fotografiert von Jessica während ihres Stride-Einsatzes.

Alles ist sehr dicht beisammen: Hier sehen Sie die Eingänge von vier Wohneinheiten

Frau steht erwartungsvoll in der Tür in Costa Rica, fotografiert von Jessica während ihres Stride-Einsatzes.

Besuche wurden immer freudig erwartet

Eine Mutter gibt Nachhilfeunterricht in Costa Rica, fotografiert von Jessica während ihres Stride-Einsatzes.

Wo möglich haben wir Einheimische miteinbezogen - wie diese Mutter beim Nachhilfeunterricht

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