Dass unsere Familie nicht ins herkömmliche Schema passt, ist nichts Neues. Vielleicht haben sich schon so manche immer wieder mal gefragt, wieso der Kolumbianer, die Schweizerin und ihre beiden multinationalen Kinder in Costa Rica in der interkulturellen Entwicklungsarbeit sich nicht an das anpassen wollen, was «man» normalerweise so macht. Nach 22 Jahren in Costa Rica, haben wir jetzt den Entschluss gefasst, nach Kolumbien umzuziehen und werfen damit wieder mal Fragen auf: Wieso die Stabilität, die Routine, die Sicherheit, die vertraute Umgebung und das Eingespielt-Sein zurücklassen? Geht es im Leben nicht gerade darum, all dies zu erreichen – und für Leute wie mich auch, dass man seine Lieblingsschokolade blind im Regal seines Supermarkts auffinden kann? Ebenfalls Routine, ebenfalls wichtig.
Ja, wir fahren mal wieder verkehrt die Einbahnstrasse rauf. Gegen den Strom und – zugegeben – auch ein bisschen gegen unsere eigenen Interessen. Es wäre schön zu bleiben. Es wäre schön, alles einfach weiterlaufen zu lassen. Es wäre bequem. Aber gleichzeitig wissen wir: Es ist Zeit weiterzuziehen. Sicher hat es damit zu tun, dass unser Hauptprojekt nun in eine neue Phase eintritt. In dem Entwicklungszentrum, das wir komplett von Null an aufbauen und viele Jahre führen konnten, profitierten unzählige Menschen von verschiedensten Weiterbildungsangeboten. Sie besuchten ganz praktische Kurse wie Handarbeiten oder Kurse in Englisch und Informatik. Es gab auch Bibelkurse und Kinderstunden.
Nun haben wir die grossartige Chance, das Zentrum an ein grösseres Projekt anzugliedern. Dadurch kann das Zentrum sein volles Potenzial in einem noch weiteren Rahmen entfalten. Es können sich auch noch mehr Arbeitskräfte miteinbringen. Die Arbeit im Entwicklungszentrum nimmt so ganz neue Fahrt auf. Ein guter Zeitpunkt, loszulassen und den Stab zu übergeben. Das neue Führungspersonal ist bereits dabei, sich gut einzuspielen, und wir staunen über die positive Eigendynamik, die so ein Wechsel erzeugt. Neue Kräfte werden aktiviert. Und wir gehen mit dem Gefühl, unsere Aufgabe hier abgeschlossen zu haben. Es macht uns dankbar, die positiven Veränderungen zu sehen, die das Zentrum den Menschen in den umliegenden Quartieren gebracht hat und weiterhin bringen wird.
Was bei unserer Entscheidung aber stärker zählt als der Kopf, ist das Herz. Schon seit einiger Zeit spürten wir ein starkes Ziehen in unserem Herzen und den tiefen Wunsch, in dem faszinierenden und so gebeutelten Land Kolumbien ein Senfkorn säen zu können, aus dem etwas Positives und Heilendes wächst. Das können wir am besten tun, indem wir uns vor Ort in der nationalen Gemeindearbeit engagieren und unsere Erfahrung miteinbringen. Wir hoffen auch, durch das Netzwerk von Latin Link zusätzliche Hilfe und Helfer zu motivieren und mobilisieren. Kolumbien sehnt sich nach Frieden und verdient dabei jede Unterstützung.
Noch ein Wort zu Einbahnstrassen: Sie in der verkehrten Richtung zu befahren geht nur gut mit Hilfe professioneller Lotsen. Mit Latin Link Schweiz haben wir solche Profis. Seit fast zwei Jahren sind wir mit der Leitung von Latin Link im Gespräch über unser Vorhaben, in einem neuen Land zu arbeiten. Wir haben mit ihnen zusammen definiert, wie die neue Arbeit für uns konkret aussehen könnte. Wir erhalten ihren Rat in den vielen Aspekten, die bei so einem Wechsel bedacht werden wollen. Wir profitieren von dem reichen Erfahrungsschatz bei Latin Link aus der Begleitung vieler anderer in ähnlichen Situationen.
Ein weiteres Lotsenteam unterstützt uns in Kolumbien. Mitarbeiter von Latin Link, die bereits im Land leben und arbeiten, alte Freunde und ehemalige Studienkollegen haben sich bereits bei uns gemeldet, uns eine ausdrückliche Einladung ausgesprochen und ihre Unterstützung angeboten. Es ist kaum in Worte zu fassen, was das für uns bedeutet. Wir wissen, wir fahren nicht ins Nichts.
Ja, unser Leben wäre einfacher, wenn wir vermehrt tun würden, was „man“ macht. Aber es wäre auch farbloser. Das Leben hat nur Farbe, wenn es in Gottes Händen liegt. Wir packen unsere Koffer in dieser Gewissheit.